Interview mit Trendforscherin Gabriela Kaiser

Über Trends auf dem Laufenden zu bleiben, liegt auf der Hand. Potenzielle Kunden mit Ideen, Innovationen und außergewöhnlichen Präsentationen zu verblüffen, sie in die Gestaltung von modernen Lebens-, Büro- und Arbeitswelten frühzeitig mit einzubeziehen wird immer wichtiger. Am 14. September 2017 findet bei uns in Löhne zum ersten Mal der SMV-Trendworkshop „Trendprofi werden“ statt. Frau Kaiser, wir freuen uns, Sie als Trendexpertin und Referentin für diesen Tag bei uns zu haben. Unsere Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden in Raum- und Farbatmosphären entführt, erfahren Einiges über aktuelle, soziokulturelle und langfristige Trends. Wie diese im digitalen Wandel der Lebens- und Arbeitswelt erkannt und kundengerecht präsentiert werden können. Gemeinsam mit Ihnen wird ein aussagekräftiges Moodboard mit modernen Materialien, Farben und Formen erstellt. Dabei werden Sie auch digitale Moodboards und die Erstellung von virtuellen Präsentationstechniken vorstellen.
SW: Frau Kaiser, sagen Sie uns doch ein paar Worte zu sich.
In mir pochen viele Seelen. Ich habe nach dem Abitur erst eine Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel gemacht mit Fortbildung zur Handelsassistentin bei Peek & Cloppenburg, bevor ich Textiltechnik mit Schwerpunkt Design studiert habe. Ich habe mich als Designerin nie als Selbstverwirklicherin gesehen, sondern für mich stand immer der Kunde, die Zielgruppe des Produktes, im Vordergrund. Einer meiner Hauptfähigkeiten ist, dass ich mich von meinem eigenen Geschmack befreien kann, bei einer Beratung. Ich finde es wichtig, zu wissen, wie man selber tickt, und dann zu sehen, dass es noch viele andere Geschmacksrichtungen gibt, die auch schön und richtig in ihrer Art sind.
SW: Bereits 2002 starteten Sie ihre Karriere als Trendscout und –beraterin. Wie wird man zum Trendscout und vor allem zur Trendforscherin?
Das war ein Entwicklungsprozess. Damals konnte man das noch nicht studieren oder irgendwo lernen. Ich habe 6 Jahre Strickmode entworfen und da mussten wir für unsere neuen Kollektionen immer wieder neue Trendkonzepte entwickeln mit Farben, Garnen, Mustern und Oberflächen. Als Strickdesignerin fängt man ja mit einem Garn an und die Fläche ist noch nicht mal vorhanden, wie bei anderen Modedesignern, die fertige Stoffe kaufen, um daraus Mode zu kreieren. Als ich mich dann selbstständig gemacht hatte, kam eine Anfrage von einem Gardinenhersteller, die mich sehr reizte. Also arbeitete ich mich ins Interior ein und stieg Stück für Stück immer tiefer auch in diese Materie ein. Mittlerweile habe ich nur noch wenige Aufträge, die mit Mode zu tun haben. Mich interessiert Design über alle Sparten hinweg. Aber auch die Wünsche und Bedürfnisse des Konsumenten sind mir sehr wichtig, denn Design ist nur erfolgreich, wenn es diese berücksichtigt.
SW: Wenn über Trends gesprochen wird, denken wir häufig, dass diese eine „kurzfristige“ Erscheinung sind, wie z.B. in der Mode. Dabei lässt es sich mit Trends nur sinnvoll arbeiten, wenn man sie richtig einordnet in Bezug auf gesellschaftliche Themen, Wirkung und Dauer. Welche Arten von Trends gibt es?
Ich hatte ja ein paar Jahre einen Lehrauftrag für Trendforschung und habe dafür einige wissenschaftliche Bücher zu diesem Thema gelesen, die mein Backgroundwissen erhöht haben. Mode ist tatsächlich die am schnellsten wechselnde Disziplin im Designbereich, wenn es um Trends geht. Sie muss sich im Prinzip jede Saison wieder neu erfinden, um Bedürfnisse beim Kunden zu wecken. Länger anhaltend sind soziokulturelle Trends, die ca. 10 Jahre anhalten, dann Technologietrends mit einer Dauer von ca. 50 Jahren. Darüber stehen die Megatrends, die eine Halbwertzeit von mindestens 50 Jahren haben. Wenn man diese übergeordneten Trends kennt, dann sieht man, dass Trends im Kleinen zwar ständig wechseln, die Themen darüber aber gleich bleiben. Ein Beispiel ist dafür das Thema „Natürlichkeit“, das im Übrigen als Gegentrend zu unserem immer virtuell werdenden Leben entstanden ist. Die Bedeutung konnte erst stehen, weil immer mehr Menschen immer weniger Kontakt zu ursprünglicher Natur im täglichen Lebensablauf haben. Für meine Großeltern war das Aufwachsen in der Natur mit Kühe und Ziegen hüten noch selbstverständlich. Viele unserer Generation sehen Kühe vielleicht im Urlaub, wenn überhaupt.
» Viele fürchten die Leere, aber komischerweise selten den Überfluss, der einen Raum schnell
unruhig und chaotisch macht. «
Gabriela Kaiser
SW: Wie identifizieren Sie zukünftige Trends? Wie gehen Sie dabei vor?
Ich besuche z.B. ganz unterschiedliche Messen. Avantgarde-Veranstaltungen sind für mich sehr spannend, denn da leben Designer ihre Ideen aus, die noch nicht in ein Industrie-Korsett gezwängt wurden. Da sieht man oftmals sehr früh neue Idee, Farben, Materialien. Dann besuche ich aber auch Möbel- und Konsumgütermessen, denn es ist auch wichtig zu sehen, welche Trends schon bei der Industrie angekommen sind. Die Trendidentifikation ist immer wieder eine Reflexion, was es schon gibt und welche Ideen noch unterwegs sind und es sich von daher weiter entwickeln könnte.
SW: Mit welchen Anliegen kommen Ihre Kunden auf Sie zu?
Das ist bei jedem Kunden sehr unterschiedlich. Manche wollen nur ein Trendbriefing, andere ein Feedback zu ihrem Sortiment, wie dieses weiter entwickelt werden könnte. Für einen Kunden habe ich für ein neues Sortiment zu verschiedenen Trendthemen Farben, Materialien, Muster und Formen konzipiert. Dann berate ich Kunden bzgl. Produktpräsentation auf Messen. Für einen Kunden habe ich für eine Messe Dekorationskonzepte für deren Produkte entwickelt. Dann gibt es einen, für den ich Farben und Mustervorschläge für die neue Kollektion mache, wobei ich selber normaler Weise keine Designs mehr mache, sondern auf Online-Bilddatenbanken wie bei Shutterstock nach Mustern suche.
» Eine Einrichtung muss nicht aus einem Guss sein, Perfektion kann sogar langweilen. «
Gabriela Kaiser
SW: Haben Sie drei Tipps für uns, was Räume besonders und nicht langweilig macht?
Ein Raum kann für mich langweilig werden, wenn er nur mit Noncolours, wie Beige-Brauntönen konzipiert ist, und keine Akzente hat, wie eine Farbe oder einen metallischen Glanz. Auch die Materialwelt sollte man immer im Auge haben. Ich finde das Spiel von warmen und kalten Materialien spannend, also Metall zu Holz. Den punktuellen Einsatz von Farb- oder Materialkontrast finde ich dabei auch interessanter als eine gleichmäßige Überziehung dieses Prinzips über den ganzen Raum.
SW: Arbeit hat sich verändert. Ist vernetzt, digital, kommunikativ. Neue Formen der Zusammenarbeit verlangen flexible und kommunikative Büro- und Raumkonzepte wie für offene Büro- und Arbeitslandschaften – sogenannte Open Space Büros. Ebenso Rückzugsorte für konzentriertes Arbeiten. Die moderne Arbeitswelt sieht so aus, dass sie Menschen unkompliziert in Meetings wie auch konzentrationsfördernd unterstützt. Individuelle, auf das Unternehmen ausgerichtet Raumnutzungskonzepte mit optimalen akustischen Bedingungen, Beleuchtungs- und Farbverhältnissen sowie geeigneten Mobiliar unterstützen dies. Worauf kommt es zukünftig bei der Gestaltung von Räumen und Einrichtung besonders an, ob fürs Büro oder sogar für das eigene Zuhause?
Ein grundlegender Punkt ist das persönliche Wohlfühlklima. Früher gab es den Arbeitsplatz und der war meist grau und steril im Gegensatz zum Zuhause. Deswegen haben viele Menschen an ihren Arbeitsplatz persönliche Dinge, wie Fotos mitgebracht, um diesen wohnlicher zu gestalten. Heute sind die grundlegenden Fragen für mich sowohl im öffentlichen Raum also auch Daheim: was möchte ich in diesem Raum oder in diesem Bereich des Raumes machen? Welche Atmosphäre soll da erzeugt werden? Eine entspannte Rückzugszone kann es Daheim und auch im Büro geben. Mit welchen Farben, Materialien und Formen erreiche ich dies?
SW: Wie wirken Sie den schnell wandelbaren und trendgetriebenen Zeiten entgegen?
Ich zeige auf, dass die Trends in vielen Bereichen gar nicht so schnell wechseln, wie wir immer denken. Es sind oftmals nur Kleinigkeiten, die geändert, Räume und Zusammenstellungen anders wirken lassen. Wenn wir die übergeordneten Trends im Blick behalten, entspannt sich sofort die Wahrnehmung der angeblich ständigen Trendwechsel.
SW: Welche Rolle spielt der Megatrend Digitalisierung?
Für mich bedeutete er lange Zeit, das Tor zur Informationswelt, denn noch vor 4 Jahren wohnte ich im tiefsten Oberfranken. Die Digitalisierung bietet viele Möglichkeiten, wenn man sich dafür öffnet und damit wohl fühlt. Auch in Räumen wird die Digitalisierung noch umwälzende Veränderungen mit sich ziehen, die erst angefangen haben. Ich finde den Gedanken ganz spannend, dass wir in ein paar Jahren vielleicht keine farblich und mustermäßig festgelegten Wände mehr haben, weil wir diese je nach Stimmung und Anliegen digital werden anpassen können.
SW: Wie lässt sich Kreativität Ihrer Meinung nach entfalten?
Da gibt es bestimmt viele Wege. Für mich bedeutet es, immer wieder neue Dinge und Techniken auszuprobieren, Altes und Gewohntes in Frage zu stellen und offen zu sein für neue Möglichkeiten und Sichtweisen.
SW: Wie gelangen Sie zu Ihren Inspirationsquellen?
Ganz unterschiedlich. Ich liebe Zeitschriften, surfte leidenschaftlich gerne durch das Internet und gehe auch gerne durch die Städte und schaue mir Schaufenster an. Inspiriert werden kann man überall, wenn man seine Sinne dafür offen hält.
» Folgen Sie beim Sortieren – darf bleiben, hat sich erledigt – Ihrem Gefühl und weniger Ihrem Verstand. «
Gabriela Kaiser
Vielen Dank für dieses Interview Frau Kaiser. Die Vorfreude auf den 14. September ist jetzt noch größer geworden.
Das Interview mit Gabriela Kaiser führte Sandra Wilms, Marketingreferentin bei SMV Sitz- & Objektmöbel, Löhne. Das gesamte Interview steht Ihnen HIER zum Download bereit.
Zur Webseite von Gabriela Kaiser gelangen Sie HIER.