Doppelter Abschied

So, wie jetzt, zu zweit nebeneinander, sitzen Inge Brünger-Mylius und ihr Sohn Bjorn Mylius bei der Arbeit nur noch selten.

Magazin 528, September 2021, Interview Inge Brünger-Mylius und Björn Mylius

Der Generationswechsel in der Geschäftsführung von SMV ist geschafft und ein weiterer Abschied soll folgen. Inge Brünger-Mylius verabschiedet sich aus dem Vorstand der IWKH. Und schaut gerne gemeinsam mit ihrem Sohn zurück.

Frau Brünger-Mylius, wie lange sind Sie schon Mitglied in der IWKH?
Inge Brünger-Mylius: "Seit 24 Jahren, also ziemlich von Anfang an. Damals war ich ja noch eine wirklich junge Unternehmerin, wusste aber sofort: Da entsteht etwas, bei dem ich sofort dabei sein wollte. Ich hatte tausend Fragen in meinem Kopf und niemanden, der mir die Antworten darauf geben konnte. Gerade als Frau – und dann noch in der Möbelbranche – war es damals schwer, Fuß zu fassen. So etwas wie die IWKH gab es noch nirgends; da wollte ich unbedingt mitmachen."

Sie waren auch schnell bei der Unter nehmer-innen-Initiative (UI) mit von der Partie. Wie haben Sie die Zeit dort empfunden?
Inge Brünger-Mylius: "Auch die war und ist für mich sehr bereichernd. Aber heute, nach all den Jahren frage ich mich doch: Ist es wirklich notwendig, nach Geschlechtern zu trennen? Ich empfinde Frauen und den Umgang untereinander als unkomplizierter. Gleichzeitig habe ich mich schon sehr früh dafür ausgesprochen, dass an Veranstaltungen auch Männer teilnehmen können. Das kann doch nur für eine Bereicherung sorgen. Aber: Bitte nicht falsch verstehen. Als die UI gegründet wurde, als wir uns anfangs mit 25 bis 35 Frauen getroffen haben, da war das richtig und wichtig so. Heute sehe ich das anders, weil sich Dinge verändern und man mit der Zeit gehen sollte."

Was hat die UI damals am meisten für Sie ausgemacht?
Inge Brünger-Mylius: "Es war der Mix in den Berufen und Branchen, aus denen wir stammten. Da waren nicht nur Einzelunternehmerinnen, sondern auch viele, die größere Betriebe führten. Die Vielfalt hat mich sehr angesprochen. Gleichzeitig habe ich endlich Menschen gefunden, die die gleichen Fragen wie mich bewegten. Und die die passenden Antworten zumindest teilweise schon gefunden hatten."

Man darf vielleicht sagen, dass Sie mit der IWKH durch dick und dünn gegangen sind. Wie sehen Sie sie heute?
Inge Brünger-Mylius: "Ich bin Vorstandsmitglied und von der Arbeit, dem Verein vollends überzeugt. Natürlich war ich damals erst sprachlos, als die Lösung vom Kreis Herford stattfand. Wir drohten ja zum Spielball der Politik zu werden. Da hätte ich mir manches Mal ein selbstbewussteres Auftreten gewünscht. Wir sind doch ein riesiges Netzwerk, da muss man nicht sofort klein beigeben. Heute nehmen ich die IWKH als irgendwie skeptischer wahr – wir sind leider auch etwas behäbiger geworden. Aber das ist ja kein Wunder; früher hatten wir acht Mitarbeitende, heute, rein rechnerisch, nur noch eine ganze Stelle. Da fällt einfach zu viel hinten runter, das ist einfach nicht aufzuholen."

Wie sehen während Corona Zeiten eigentlich die Vorstandssitzungen aus?
Inge Brünger-Mylius: "Noch treffen wir uns rein digital, aber das ändert sich hoffentlich bald wieder. Das läuft mittlerweile komplett problemlos. Ein Mal im Monat treffen wir uns so, nehmen uns vor, dass es nur etwas länger als eine Stunde dauert und beenden das Ganze dann nach vier Stunden (lacht). Aber auch das wird mit jedem Mal besser und schneller."

Und wie schade ist es für Sie, dass der 25-jährige Geburtstag nicht richtig gefeiert werden kann?
Inge Brünger-Mylius: "Wird er ja, nur eben als 25+1. Geburtstag. Wir wollen doch so richtig feiern. Mit möglichst vielen Mitgliedern, möglichst auch mit Partnern. Das geht aktuell nicht, das muss man pragmatisch sehen und nicht emotional werden, sondern sachlich bleiben. Feiern können wir, da bin ich mir sicher. Ganz egal, wann die Feier steigt."

Wie sehen Sie aktuell das Programmangebot der IWKH?
Inge Brünger-Mylius: "In Zeiten wie jetzt ist es alles andere als einfach, ein attraktives Angebot auf die Beine zu stellen. Auf der einen Seite fehlt uns dazu schlicht die Manpower. Auf der anderen Seite hat sich, zumindest bei mir, aber ich glaube auch bei vielen anderen, ein gewisses Sättigungsgefühl eingeschlichen, wenn es um digitale Angebote geht. Wenn ich einen freien Abend „opfere“, dann will ich am Ende mit einem echten Mehrwert aus der Veranstaltung herausgehen.. Das ist alles andere als einfach. Und, auch das muss man ansprechen: Es wird auch nicht einfach und günstiger, wirklich gute Speaker zu verpflichten. Da steigen die Preise, da erreicht man schnell Grenzen, die wir mit unserem Budget nicht über-schreiten können."

Was sind die Gründe, die Sie dazu bewogen haben, sich nicht noch einmal zur Wahl zu stellen?
Inge Brünger-Mylius: "Das ist ganz einfach: Irgendwann ist es mal gut. Und dieser Zeitpunkt ist jetzt gekommen. Die IWKH braucht frisches Blut, neue Impulse, ich als „alte Schachtel“ gebe da gerne mein Amt weiter, bleibe ganz normales Mitglied und suche mir aus dem Programm die Rosinen raus, die mich wirklich interessieren."

Heißt das auch, dass Sie sich stärker auf Ihr Unternehmen SMV konzentrieren wollen?
Inge Brünger-Mylius: "Nein, hier bin ich ja nur noch ganz selten (lacht)."

Wie kommt das?
Inge Brünger-Mylius: "Während Corona musste ich aus familiären Gründen kürzertreten und war hier für vier Monate nicht an Board. Als ich dann zurückkommen wollte, hat mein Sohn Björn, der ja seit 14 Jahren im Unternehmen und seit 2018 mit in der Geschäftsführung ist, ganz vorsichtig angemerkt, dass das vielleicht gar nicht notwendig sei."

Björn Mylius: "Ich glaube, ich habe es noch freundlicher formuliert (lacht). Es hat sich einfach gezeigt, dass das Schiff hier auch so gut auf Kurs ist. Meine Mutter ist ja die Hälfte des Jahres eh mit dem Wohnmobil unterwegs und hat dann per Videokonferenz das Unternehmen mit geleitet. Wir und viele andere haben immer gelacht, wenn wir im Hintergrund bei den Videoterminen schon wieder das Wohnmobilinnere erkennen konnten."

Inge Brünger-Mylius: "Es ist aber natürlich nicht so, dass ich dann einfach zu Hause geblieben bin und wir das Ganze nicht vorbereitet hätten. Vier Jahre lang haben wir beide ein Coaching unabhängig voneinander gemacht, um den Generationswechsel hinzubekommen. Der Prozess läuft also schon lange."

Und wie sieht es in der Praxis aus, was sagen die Kunden dazu?
Björn Mylius: "Auch die kennen mich ja schon lange, da gibt es keine Probleme. Und wenn dann doch jemand auf jeden Fall meine Mutter sprechen und mit ihr anderes als mit mir verhandeln möchte, dann muss man eben mal deutlicher werden und sagen: Das landet so oder so auf meinem Schreibtisch. Das ist alles in allem ein Prozess, der Zeit benötigt. Aber wir sind da auf einem sehr guten Weg."

Das heißt für Sie, Frau Brünger-Mylius, dass sie gleich zwei Abschiede vor sich haben.
Inge Brünger-Mylius: "Ja, aber das sollte man jetzt nicht so emotional nehmen. Ich war im IWKH-Vorstand immer mit Herz und Seele dabei und hier im Unternehmen war das natürlich nicht anders. Das hier habe ich alles aus dem Nichts aufgebaut, da steckt sehr viel Herzblut drin. Aber man muss auch erkennen, wann es Zeit ist, die nächste Generation ans Ruder zu lassen. Es gibt ja genügend andere Beispiele, bei denen das Loslassen eben nicht so gut klappt. Ich stehe natürlich immer mit Rat und Tat zu Seite. Und habe ganz nebenbei auch immer junge Unternehmerinnen, die ich beim Start in die Selbstständigkeit betreue und eine längere Zeit lang begleite. Da beantworte ich heute die vielen Fragen, die ich aus meiner Startzeit noch kenne – und das mache ich sehr gerne. Aber jetzt will ich mich um meine Enkelkinder kümmern. Gibt es etwas Schöneres? Und jetzt, wo das Reisen Stück für Stück wieder möglich ist, wollen wir bald wie-der mit unserem Wohnmobil die deutsche Grenze hinter uns lassen. Wenn man mich also zukünftig per Video-Call erreicht, dann ist die Chance groß, dass im Hintergrund wieder die Wohnmobilwand auftaucht (lacht)."

Artikel: 52 8 Das widufix Wirtschaftsmagazin (das ganze Magazin anschauen)
Foto & Text: Tobias Heyer

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